NEU: Fhelerkultur
Die Welt ist voller Fragen! Wer waren eigentlich Käpt’n Nuss und Blendi? Wie lautet der dämlichste Filmtitel aller Zeiten? Was versteht man unter »Silly Season«? Warum konnte die Menschheit fortbestehen, obwohl Adam und Eva nur zwei Söhne hatten? Und wie kommt es, dass Modeschöpfer Karl Lagerfeld ausgerechnet durch Jogginghosen unsterblich wurde?
In »Fhelerkultur – neue nutzlose Gedanken zu Dingen, die sowieso nicht zu ändern sint« werden all diese Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Wie beim Vorgängerband »Ist Götterspeise Blasphemie?« handelt es sich hierbei um neue und ältere Texte, die für diese Ausgabe vollständig überarbeitet wurden. Fun Fact: Ursprünglich sollte das Buch »Wie man Katzen zum Platzen bringt« heißen. Doch nach einigen internen Diskussionen siegte am Ende die Vernunft.
»Fhelerkultur«, der zweite Band der edition wortmax, ist ab sofort im Buchhandel erhältlich.
Neue Chancen!

»Berufe wie Illustratoren und Übersetzer wird es vielleicht bald nicht mehr geben«, erklärte die nette Frau von der FDP. »Aber dafür bietet die KI gerade Kreativen viele Chancen.«
Was für Chancen dies sind, verriet sie leider nicht. Vielleicht die Chance, Lagerarbeiter bei Amazon, Paketbote oder Pizzalieferant zu werden.
Ich hatte den Fehler gemacht, zu einer Podiumsdiskussion zum Thema »Künstliche Intelligenz« zu gehen und war am Ende deprimiert, wie alle Kreativen, die sich unter den Zuhörern befanden.
Klar, die Digitalisierung wird gerade in der Kreativbranche viele Existenzen vernichten, da sind sich alle einig; doch die Fastfood-Industrie wird sie mit offenen Armen empfangen. Und ein Job bei McDonald’s bringt viele Chancen. Es besteht also kein Grund zur Beunruhigung.
Die jüngere Generation ist da wesentlich aufgeschlossener: »Bücher muss es nicht mehr geben. Es gibt doch so viele tolle Serien«, hörte ich neulich auf einer Party. Verlage seien heutzutage ja sowieso vollkommen unnütz. Wer einen Roman schreiben will, kann ihn ohne Mühe selbst als E-Book herausbringen. Oder noch besser: Man lässt die Geschichte von der KI schreiben. Kinderbücher, die von der KI gezeichnet wurden, gibt es ja bereits. Folgerichtig werden Buchhandlungen durch die Digitalisierung ebenfalls überflüssig.
Apropos überflüssig: Auch die Musikindustrie fand die Digitalisierung zunächst toll. Zumindest so lange, bis Filesharing möglich war. Binnen kürzester Zeit gerieten die Konzerne in die Krise. Zwar finden das alle höchst bedauerlich, doch im Zuge der Digitalisierung müssen halt Opfer gebracht werden. So kommt es, dass sich selbst Bands, die bei Branchengiganten unter Vertrag stehen, mit Kleinstjobs über Wasser halten und 80-jährige Rocklegenden wieder auf Tour gehen müssen, nur weil sie durch Spotify nicht ansatzweise so viel Geld verdienen wie einst durch Tonträger.
Auch sie sind überflüssig, da nun KI-generierte Tracks wie »Verknallt in einen Talahon(k)« die Charts erobern. Warum haben sie auch keinen anständigen Beruf ergriffen?
Vor allem im Kino hat sich durch die Digitalisierung viel geändert. Immer öfter erblicke ich beim Betreten eines Kinosaals ein Meer grauer Haare. Die Jüngeren sitzen derweil daheim, um den Film in der Bequemlichkeit ihres Wohnzimmers zu streamen. Die heimische Couch verlässt man nur, falls ein bildgewaltiges Fantasy-Epos anläuft. So kommt es, dass kleinere Filme von den Studios immer seltener produziert werden.
Kommen wir nun zum Journalismus. Wer braucht Zeitungen und Zeitschriften, wenn es Internetportale gibt, wo alles umsonst angeboten wird? Nur ist der Luxus einer gut funktionierenden Redaktion mit Anzeigen allein nicht finanzierbar (und aus Gründen der Profitmaximierung auch gar nicht erwünscht). Vor allem eine sorgfältige Recherche bleibt so auf der Strecke, da sie von einer Medienagentur, die hauptsächlich mit Praktikanten arbeitet, nicht zu leisten ist.
Dank eingebrochener Verkaufszahlen sind auch angesehene Blätter nur noch ein Schatten ihrer selbst. Vor fünf Jahrzehnten konnte eine Tageszeitung einen verbrecherischen US-Präsidenten zu Fall bringen. Inzwischen muss selbst die »Washington Post« zugeben, dass für investigativen Journalismus, wie er 1972 möglich war, heute das Geld fehlt. Die Aufdeckung von Kriegsverbrechen und politischer Korruption gehört also der Vergangenheit an. Der Zukunft hingegen gehören Klatsch-Reportagen aus dem »Sommerhaus der Stars«. Die Klickzahlen bestimmen die Inhalte. Zumindest für Diktatoren und verbrecherische Unternehmer ist das eine schöne Sache.
Selbst Senioren, die gehofft hatten, sich der neuen Technologie verweigern zu können, sehen sich gezwungen, Arzttermine oder Bankgeschäfte per Smartphone oder Tablet zu machen. 945 Bankfilialen haben 2023 schließen müssen. Durch den technischen Fortschritt ist alles sehr bequem geworden – vor allem für Unternehmen, die Arbeitsplätze abbauen wollen. Natürlich gibt es auch unschöne Seiten. Die Alphabet-Tochter Google hat 2024 als erstes Unternehmen weltweit einen Vertrag über den Kauf von kleinen modularen Atom-Reaktoren unterzeichnet, denn die KI verschlingt eine Menge Energie. Doch keine Angst: Die Digitalisierung bietet viele Chancen. Die nette Frau von der FDP hat's schließlich versprochen!
Schmusekurs

Pünktlich zur Amtseinführung von Präsident Trump veröffentlichte das Provinzblatt »Latrobe Bulletin« einen Cartoon von Lee Judge, auf dem die Flagge über dem weißen Haus auf den Kopf gestellt abgebildet ist – was nicht bei allen Lesern auf Begeisterung stieß. Um empfindsame Trumpisten nicht mehr zu brüskieren, wird das Blatt in Zukunft auf politische Cartoons verzichten:
»Wir entschuldigen uns heute dafür, dass wir eine solch beleidigende politische Karikatur durch unseren redaktionellen Prozess haben schlüpfen lassen. Politische Karikaturen werden zwar seit vielen Jahren in Zeitungen, einschließlich des Latrobe Bulletin, abgedruckt, aber dies ist ein letztes Beispiel dafür, dass sie unserer Meinung nach ausgedient haben. Als Amerikaner respektieren wir die Rechte und Ansichten aller Seiten, aber wir versichern Ihnen, dass dieses Bild nicht den Standpunkt Ihrer Gemeindezeitung widerspiegelt... Wir werden keine politischen Karikaturen mehr veröffentlichen, weil wir uns bemühen, die Gemeinschaft zu verbessern, statt sie zu spalten.« Dave Cuddihy, Herausgeber
Ein schönes Beispiel dafür, wie sich die Pressefreiheit (unter dem Deckmäntelchen des Patriotismus) selbst abschafft. Kommt einem das irgendwie bekannt vor? Chapeau!
Niederschwellige Konversation
Minimalismus ist eine Kunst. Und ich bewundere Leute, die sie beherrschen. Besonders beim Small Talk gibt es hier wahre Virtuosen. »Erst habe ich Erdbeeren eingetuppert, dann Rhabarber, dann Möhren und schließlich habe ich Birnen eingetuppert«, hörte ich im Supermarkt an der Käsetheke. Mir schien die Aufzählung etwas zu detailverliebt. Für all jene, deren Leben um bunte Plastikschüsseln kreist, ist sie jedoch hochinteressant.
Auch Leute, die sich minutiös über die wöchentliche Treppenhausreinigung oder deren Unterlassung durch die Nachbarn auslassen können, finde ich genial. Ein weiteres Thema, das viel zu lange totgeschwiegen wurde.
Ein Cousin zum Beispiel kann stundenlang über seinen Weg zur Arbeit referieren. Da wird keine Umsteigemöglichkeit ausgelassen, jede Fahrplanabweichung missmutig kommentiert, keine kaputte Ampel übersehen, jeder unachtsame Autofahrer mit Flüchen belegt. Sein Rückweg ist noch spannender.
Je unbedeutender das Thema, desto detaillierter muss es angegangen werden.
Besonders ernstzunehmende Gesundheitsschäden, wie eingerissene Zehennägel, Kratzer, die man von der Katze verpasst bekommen hat oder ein verstauchter Knöchel verdienen es ausgiebig analysiert und diskutiert zu werden. Denn schließlich: »Wenn etwas kleiner ist als das Größte, so ist es darum noch lange nicht unbedeutend«, behauptete einst der römische Philosoph Seneca. Es muss ja nicht immer gleich der Weltfrieden sein.
Leute, die sich abendfüllend über Fußball, den aktuellen Tatort oder schöne Wanderwege auslassen können, sind daher überall gern gesehen, denn ihre Gespräche sind entspannend wie eine Fußmassage oder eine ZDF-Vorabendserie. Wer da zwischendurch aufs Klo geht, hat nichts Wichtiges verpasst. Es ist eine Art »Ambient Sound«; Sozialgeräusche, die nicht groß stören, weil sie nicht groß interessieren.
Meine eigenen Sozialgeräusche sind eher lästig. Statt von luftdicht verschlossenen Erdbeeren und Rhabarber fange ich früher oder später an über den Niedergang der Printmedien, den Verfall der Kinokultur, die Leerstände in der Innenstadt und über den Klimawandel zu predigen. Jeder Versuch der Anwesenden, das Gespräch auf eingerissene Zehennägel zu lenken, wird von mir gnadenlos im Keim erstickt. Wer dann noch immer nicht die Flucht ergriffen hat, bekommt als Zugabe eine Tirade über den Plastikmüll im Pazifik zu hören, der mittlerweile eine Fläche bedeckt, die viermal so groß wie die Bundesrepublik ist. Womit wir wieder bei den Plastikschüsseln wären.
Früher führte man solche Gespräche zu fortgeschrittener Stunde in der Küche, wenn die anderen Gäste bereits so betrunken waren, dass sie sowieso nichts mehr mitbekamen. Für sie hörte es sich dann an, als würde jemand über Erdbeeren und Rhabarber lallen. Heute allerdings sind die Menschen bedauerlicherweise selbst zu fortgeschrittener Stunde meist noch nüchtern. Ihr Pech, wenn ich dann in der Nähe bin.
Man sieht: Niederschwellige Konversation ist für ein friedliches Miteinander unverzichtbar. Nur eine Sache ist noch besser. Mein Onkel Günther hatte sich zu seinen Glanzzeiten auf Partys (ab einem gewissen Promillepegel) wortlos einen Lampenschirm über den Kopf gestülpt – und war der Held des Abends. Minimalismus in seiner pursten Form!
Grundschul-Trekkie
Es war ein denkwürdiger Tag, als zum ersten Mal im deutschen Fernsehen »Star Trek« lief. Zuvor gab es an jedem Samstag »S.O.S. – Charterboot«, eine Serie über einen amerikanischen Skipper, der vor der Küste Australiens in allerlei Abenteuer schipperte und bei mir und meiner Schwester hoch im Kurs stand.
Plötzlich jedoch mussten Moss Andrews und sein Charterboot den Sendeplatz für ein ominöses Raumschiff namens »Enterprise« räumen. Das gefiel mir, der schon damals gegen jede Art von Veränderung war, zunächst gar nicht.
Besonders der Samstag war ein Tag der Rituale. Nur an diesem Abend gönnte sich mein Vater beim Abendbrot eine Flasche Bier. Bei Fanta und Mettbroten wurde dann der Fernseher angestellt, bevor ich später in die Badewanne geschickt wurde.
1972 galt Science Fiction in Deutschland noch als Schundliteratur. »Raumschiff Enterprise« war daher nicht nur im Kreise meiner Familie höchst umstritten. Von den meisten Erwachsenen wurde die Serie ignoriert. In vielen Programmzeitschriften bildete man die Enterprise daher anfangs stets auf den Kopf gestellt ab.
Meine Schwester allerdings war sofort ein Fan. Jeder Artikel, der damals über die Serie erschien, wurde ausgeschnitten und archiviert. Nach einigen Folgen hatte ich die Crew der Enterprise ebenfalls ins Herz geschlossen. Als wir in der Schule eines Tages die Aufgabe bekamen, mit Wachsmalkreide ein Selbstporträt zu zeichnen, zeichnete ich nicht mich, sondern Mr. Spock und in einer freien Ecke die Enterprise.
Die Zeichnung war bei meinen Mitschülern ein Hit. Praktisch über Nacht wurde ich als »Zeichner« abgestempelt und musste in den Folgemonaten ständig mein dürftiges Talent unter Beweis stellen.
Um meinem unverdienten Ruf gerecht zu werden, nahm das Zeichnen einen stetig größeren Raum in meinem Leben ein. Besonders oft versuchte ich mich dabei an der Enterprise selbst, die für einen Zweitklässler eine zeichnerische Großtat darstellte. Nur wenige Jahre später entschied ich mich, die Zeichnerei zum Beruf zu machen.
Damals machte man sich im Satireblatt MAD über den ständig wachsenden Erfolg der zu diesem Zeitpunkt längst eingestellten Serie lustig. Meine Generation würde vom Kindes- bis zum Greisenalter vor der Glotze sitzen und »Star Trek« schauen, spekulierte man gehässig.
Niemand konnte ahnen, dass in den nächsten Jahrzehnten etliche Kinofilme, Spin-Offs und Neuauflagen folgen sollten. Aus einer MAD-Satire wurde so schließlich Realität.
Mittlerweile sind fast alle Darsteller von »Raumschiff Enterprise« von uns gegangen und selbst die Stars von »Star Trek: The Next Generation« schrammen hart an der »Final Frontier«. »Star Trek« hat heute sogar MAD überlebt und wird wohl auch mich überleben.
Als neulich die letzte Staffel von »Star Trek: Picard« im Free-TV anlief, wurde mir bewusst, dass dies das Ende einer Ära ist. Vor allem wurde mir bewusst, wie sehr eine Fernsehserie mein Leben geprägt hat. Immer wieder frage ich mich: Was wäre wohl aus mir geworden, wenn meine Eltern damals lieber ARD gesehen hätten, wo am gleichen Sendeplatz die »Sportschau« lief?
Mitbewohner
Eine Freundin von mir hat seit neuestem einen Untermieter. Wenn ich nun zur Kaffeestunde mit ihr in ihrer Küche sitze, kann es durchaus passieren, dass ein bärtiger Mann im Bademantel herein schlurft. »Tach«, sagt er dann nur knapp, schnappt sich etwas aus dem Kühlschrank und verschwindet stehenden Fußes in sein Zimmer. Etwas befremdlich finde ich das schon. Meine Freundin hat jedoch WG-Erfahrung und meint, so etwas sei ganz normal.
Früher musste sie stundenlang vor dem WC warten, wenn sich ihre Mitbewohnerin mit einem Lover in der Badewanne vergnügte. Natürlich hätte sie sich auch zu ihnen ins Bad begeben dürfen, so weltoffen war man damals schon, doch irgendwie mochte sie nicht vor den Beiden die Hosen runterlassen.
Der große Knall kam, als sich ihre Mitbewohnerin ständig Sachen von ihr auslieh, ohne jedoch vorher zu fragen. Irgendwann entdeckte sie einen großen Brandfleck auf ihrer Lieblingsjacke. Zur Rede gestellt, zeigte die Mitbewohnerin keinerlei Schuldbewusstsein. »Ist doch nur eine Jacke«, kommentierte sie lapidar. Danach durfte sie flugs ihre Koffer packen, denn der Mietvertrag lief zum Glück auf den Namen meiner Freundin.
Ich selbst hatte nie in einer WG gehaust. Als ich von zuhause wegzog, war ich froh, endlich mein eigenes Reich zu haben. Am Anfang war es jedoch sehr schwer, plötzlich allein zu leben. Dazu in einer anderen Stadt. Die ersten Tage waren furchtbar. Ich sehnte mich nach meinem ach so ruhigen Zimmer bei den Eltern, denn plötzlich wohnte ich mitten in einer großen Stadt, in der es lauter zuging, als in meinem verschlafenen Heimatort. Vor allem hatte ich nun Nachbarn, die alles, was ich tat, neugierig observierten.
Links von mir wohnte eine pensionierte Lehrerin, die einmal mit einem weißen Handschuh übers Treppengeländer strich, um zu demonstrieren, wie schlampig ich das Treppenhaus geschrubbt hatte. Auf der anderen Seite lebte eine alte Dame, bei der es immer ein wenig nach Urin roch, wenn sie die Tür öffnete. Über mir wohnte eine schwerhörige Rentnerin, die rund um die Uhr Volksmusik hörte – und zwar so laut, dass ich hätte mitschunkeln können. Wenige Wochen, nachdem ich einzog, verstarb sie auf dem Klo sitzend, wie Elvis Presley.
Der einzige Lichtblick im Haus war eine sehr attraktive Erzieherin im Erdgeschoss. Sie hatte die monumentalste Kehrseite, die ich je bei einer Frau gesehen hatte. Mit all ihren Macken und Marotten sorgten sie dafür, dass ich mich nicht zu einsam fühlte, in meiner neuen Behausung.
WGs erlebte ich nur als Gast. Ständig gab es dort große Diskussionen. Egal, ob es der Kühlschrank war, der nicht richtig gesäubert wurde, oder die defekte Glühbirne im Flur, die niemand auswechseln mochte. Ständig wurde genörgelt und gemeckert. Der größte Streitpunkt war immer das Bad, in dem ständig jemand vor, auf oder neben die Klobrille gepinkelt hatte. Auch verschimmelte Duschvorhänge schienen in einer WG eine große Rolle zu spielen.
Im Grunde war eine Wohngemeinschaft so etwas wie ein Ehe-Bootcamp, in dem man darauf geschult wurde, Kompromisse zu schließen und sich rund um die Uhr auseinanderzusetzen. Besonders für Frauen hatte so etwas durchaus Vorteile: Männer mit WG-Erfahrung schrauben jede Senftube zu und pinkeln garantiert im Sitzen. Allein deswegen, weil sie einfach keine Lust mehr haben, sich zu rechtfertigen.
Ein wenig bedaure ich schon, nie in einer WG gelebt zu haben, denn dort werden Freundschaften fürs Leben geschlossen. Fast wie bei der Bundeswehr. Da ich jedoch etliche Freunde hatte, die in Wohngemeinschaften lebten, bekam ich oft sehr viel mehr mit, als mir lieb war.
Besonders schlimm wird es, wenn sich ein männlicher Bewohner in eine Mitbewohnerin verliebt. Ein guter Freund von mir jammerte oft, dass eine attraktive Frau in seiner WG jeden Abend einen anderen Kerl mit nach Hause schleppte und er nebenan mitbekam, was sie alles mit ihm anstellte. Während die Lustschreie seiner Angebeteten durch die dünne Zimmerwand hallten, weinte er sich einsam in den Schlaf.
Wenn WG-Unerfahrene gezwungen sind, für kurze Zeit als Untermieter zu leben, kann dies ebenfalls zur Katastrophe führen. Vor einigen Jahren vermittelte ich einen Bekannten an eine alte Freundin. Er suchte ein Zimmer, sie brauchte Geld – eine gute Kombination, dachte ich. Anfangs sah es fast so aus, als ob zwischen den Beiden mehr entstehen würde, als nur ein Wohnverhältnis – bis er mitbekam, dass sie nachts in die Dusche pinkelte, statt ins Klo, das sich auf halber Treppe befand. Man sollte meinen, dass ein Mann, der ein Jahr als Entwicklungshelfer im tiefsten südamerikanischen Dschungel gelebt hatte, Schlimmeres gewohnt war. War er aber nicht. Als er bei ihr auszog, schüttete er zum Abschied einen Beutel Katzenstreu in die Duschwanne.
Beide sprachen nie wieder ein Wort mit mir.
Wortmax goes print
Fast immer, wenn man auf der Buchmesse Autoren trifft, ist von einem Projekt die Rede, »für das sich sowieso kein Verlag interessiert«. Im Grunde ist das ein trauriger Moment. Denn viele dieser Projekte klingen hochinteressant, nur werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit nie umgesetzt. Durch stetig sinkende Verkaufszahlen verunsichert, setzen Verlage immer mehr auf Altbewährtes. Von der Experimentierfreude vergangener Jahrzehnte ist immer weniger zu spüren.
Dabei war es nie so einfach Bücher zu publizieren. Die nötige Software haben viele auf dem Rechner. Dazu gibt es unzählige Druckereien, die potentielle Autoren von Kleinstauflagen als Zielgruppe anvisieren. Die Hersteller von eBooks haben es sogar noch einfacher. Die sozialen Medien ersetzen dabei Vertreter und Presseabteilung. Das verlegerische Risiko liegt hier bei Null. Kein Wunder, dass »crossmediales Publizieren« in aller Munde ist.
Branchenkenner werden spätestens jetzt müde lächeln, denn erfahrene Schriftsteller scheuen dieses Risiko. Sie wissen, dass Herstellung, Werbung und Vertrieb eines Buches wesentlich einfacher ist, wenn man einen Verlag im Rücken hat, zumal wenn dieser mit gutem Ruf der Veröffentlichung ein Gütesiegel verleiht. Und doch gibt es Autoren, die diesen Schritt bereits gewagt haben; beispielsweise ihren Backkatalog im Selbstverlag herausbringen und auf ihrer Website bewerben. Schließlich ist jedes verlagsvergriffene Buch für den Schriftsteller totes Kapital.
Nach zwölf Jahren wortmax haben wir uns entschlossen selbst die Arena des crossmedialen Publizierens zu betreten. Viele in unserem Team haben auf dem Gebiet der Buchherstellung langjährige Erfahrung und bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Warum nicht dieses Wissen nutzen, um eigene Lieblingsprojekte umzusetzen, dachten wir uns.
Das erste Buch der edition wortmax ist ab sofort erhältlich. Es trägt den schönen Titel »Ist Götterspeise Blasphemie?« und enthält Texte von Karsten Weyershausen. Einige dieser Texte wurden bereits auf unserer Website veröffentlicht. Für die Buchversion wurden sie allerdings überarbeitet und ergänzt.
Wir sind gespannt, wie dieser Versuchsballon angenommen wird.
Wir möchten in unserer neuen edition wortmax Bücher herausbringen, die uns besonders am Herzen liegen und mit der Geschichte unseres Blogs verbunden sind. Schauen wir mal, wie sich das Ganze entwickelt.