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Stadt. Land. Flucht.

 

ImageDie einen verteufeln die Stadt als anonymen Moloch aus Asphalt und Autoabgasen, die anderen lächeln über unbedarfte Landeier, die weder Kunst noch Kultur vor Ort haben.

Auch wenn der Trend zur Stadtflucht anhält, wissen wir spätestens seit BAUER SUCHT FRAU, dass nicht alles Gold ist auf dem Lande. Die Statistik behauptet gar, dass Städter ein gesünderes Leben führen.

Was also ist die ideale Lebensform? Happy Hour oder Grillen im Garten? Oper oder Schützenfest? Saubere Landluft oder verräucherte Szenekneipen? Muss man sich überhaupt entscheiden oder kann man vielleicht beides unter einen Hut bringen? Und: Beneidet man am Ende gar das Leben, das der andere führt? Wird einem die Vorliebe für die Stadt oder das Dorf in die Wiege gelegt? Was bringt einen Menschen dazu, einer dieser beiden Lebensformen den Vorzug zu geben?

Das Thema

Unser Wohnort hängt oft vom Job ab, unsere Beziehungen vom Zufall. Manch einer, der sein Glück in der Ferne suchen wollte, schaffte es lediglich zwei Straßen weiter, während andere der Karriere wegen um die Welt reisen, obwohl sie eigentlich viel lieber an einem Ort leben würden, wo jeder jeden kennt.

Die Autoren Holger Reichard und Karsten Weyershausen haben sich über das ideale Leben Gedanken gemacht. In ihrem Buch STADT. LAND. FLUCHT. berichten sie in satirischen, pointierten Texten vom Lieben und Leiden zwischen Kuhmist und Kohlenmonoxid.

Der eine lebt als bekennendes Landei mit Frau, Kind und Katze in einem Haus auf dem Dorf, der andere als Stadtneurotiker zur Miete. Beide nehmen jedoch für sich in Anspruch, das ideale Leben zu führen – frei nach Sokrates: »Viel wichtiger als zu leben ist es, gut zu leben.«

Leseprobe

»Als ich am Samstagnachmittag Freunde auf einem Campingplatz besuchen wollte, hatte ich mit meinem nigelnagelneuen VW Jetta ein entgegenkommendes Fahrzeug übersehen. Totalschaden! Mein Auto hatte keine Fenster mehr und die ganze Karosserie war völlig verzogen. Aber bewegen konnte man es noch. In Begleitung eines Streifenwagens der Polizei durfte ich das verbeulte Gefährt zurück in die heimische Garage befördern. Gut so! Ich wollte das Unglück auf vier Rädern für den Rest des Lebens verstecken und mich gleich mit. 

Dumm nur: Als unser trauriger Mini-Konvoi den Eingang meines kleinen Heimatdorfes passierte, kam uns der Festumzug des Schützenvereins entgegen. Das ganze Dorf war auf den Beinen und stolzierte gaffend an mir und meinem unter Polizeischutz stehenden frischen Schrotthaufen vorbei. Begegnungen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Jeder der Vorbeimarschierenden kannte mich, doch ich wollte keinen von ihnen kennen. Nicht in diesem Moment. Zum ersten Mal in meinem Leben sehnte ich mich nach der Anonymität einer Großstadt.«

Holger Reichard und Karsten Weyershausen: Stadt. Land. Flucht. – Kuhmist oder Kohlenmonoxid?, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, ca. 220 Seiten, 9,99 Euro.